Was ist das Schöne am Beruf von Journalisten, die sich im Umfeld von Tages- und Wochenzeitungen tummeln und nicht von spezialisierten Fachtiteln? Sie lernen beständig sehr, sehr unterschiedliche Menschen kennen, Menschen aus verschiedenen Schichten, aus einer großen Bandbreite von Berufen, mit vielfältigen Charakteren.

Ghostwriting: Themen, die das Leben schreibt


Für mich ist die Tätigkeit als Journalistin vor allem die Chance, mich mit immer neuen Themen zu befassen, die mich alle zu immer wieder spannenden Bereichen des menschlichen Lebens führen und, das ist das Wichtigste, das ich mitnehme, zu Menschen, die sich auf ihre ureigene Art für andere Menschen engagieren. Die Medienberichterstattung malt die Welt oft sehr grau, und es gibt sicherlich sehr viele Grautöne. Aber ich freue mich gerne über die vielen hellen Schattierungen, die das Leben eben bietet. Auch im Ghostwriting!

Eine Zeitlang befasste ich mich also journalistisch mit Frauenthemen. Dass ein Leben aus Sicht von Männern eine andere ist als aus Sicht von Frauen, hatte ich schon zuhause gelernt: Wir drei Mädchen halfen beim Putzen, die beiden Söhne trugen maximal den Mülleimer nach draußen. Als ich mich später während des Studiums mit dem Sozialstaat befasste, stellte ich auch schnell fest, wie sehr die Lohnfindung mit der Bewertung von „männlich“ und „weiblich“ zu tun hat. Und mit der Rollenzuweisung an die Geschlechter, oder dass ein Sozialstaat in Gestalt von Kinderbetreuungsmöglichkeiten für Frauen eine andere Rolle spielt als für Männer.

Als Journalistin hatte ich mit Themen wie Frauenbeauftragten und Selbstverteidigungskursen zu tun und hörte mit Erstaunen, dass der Chef eines bayerischen Handwerksverbandes -in aller Öffentlichkeit sagte, dass die Betriebe lieber junge Männer mit ausländischem familiären Hintergrund als Auszubildende nehmen als Mädchen. Auch wenn in der Tat, wie Journalisten zu bedenken gaben, immer öfter Frauen Handwerksbetriebe leiten: Das sind dann halt die Töchter der Inhaber, die keine Söhne haben oder Söhne, die die Nachfolge ablehnen. Notfälle, sozusagen.


Berichten und erleben im Ghostwriting


Eines Tages meinte jedenfalls mein Freund: Wenn Du schon über Frauenthemen und u.a. Selbstverteidigung berichtest, warum besuchst Du dann nicht einmal einen Selbstverteidigungskurs für Frauen?

Bis dato war das Thema einfach ein Objekt der Berichterstattung gewesen: Es gibt Gewalt gegen Frauen, es gibt die Möglichkeit für Frauen, ihre Wehrhaftigkeit zu trainieren. Und da die Frauen in Deutschland in der Mehrheit sind, war das Thema wichtig und ich wollte darüber schreiben. Allerdings hatte mein Freund natürlich recht: Irgendwie hatte das auch mit mir zu tun. Auch ich bin eine Frau, auch ich könnte in eine unangenehme Situation oder in Bedrängnis kommen

Jedenfalls beschloss ich: Ich tue es. Ich buchte einen entsprechenden Wochenendkurs. Und fand ihn sehr informativ, sah darin vor allem auch die Chance auf eine wunderbar anschauliche Berichterstattung. Letztlich brachte mir die Bereitschaft, mich mit dem Thema vertiefter zu befassen, einen freiberuflichen Auftrag: Ghostwriting für ein Buch über Selbstverteidigung.

Die Kursleiterin hatte schlicht die Anfrage eines etablierten Taschenbuchverlags erhalten, doch ein Buch über das Thema Selbstverteidigung zu schreiben. Ein Angebot, das „frau“ oder „mann“ eigentlich nicht ablehnen sollte. Allerdings: Sie unterrichtete viele Kurse für Mädchen, ältere Frauen, gemischte Gruppen, über mehrere Abende oder ein Wochenende hinweg. Aber darüber schreiben?

Nein, aufs Papier würde sie die Erkenntnisse, die Informationen, die sie Mädchen und Frauen in einem sehr praktisch orientierten Kurs nahebrachte, nicht bringen können. Da kam die Journalistin unter ihren Teilnehmerinnen ins Spiel. Sie fragte, ob ich nicht das Ghostwriting übernehmen könnte: Das, was sie zu sagen hatte, aufs Papier zu bringen.


Vom Erzählten zum Geschriebenen


So kam ich also zum Auftrag, als Ghostwriterin zu fungieren und all das, was meine Auftraggeberin sich in der Praxis ihrer Kurse erarbeitet und über Jahre hinweg vertieft hatte, zu Papier zu bringen.

Es brauchte einige Diskussionen, bis wir geklärt hatten, wie der Weg der Gedanken aus dem Kopf zum Papier sein konnte. Die Auftraggeberin entschied sich für ein Diktiergerät: Sie sprach zu einem Punkt, den sie abhandeln wollte, auf ein Diktiergerät. Ich hörte es mir ab und an und formulierte beim Abtippen, wie ich es für richtig hielt.

Das Diktiergerät war das Instrument, mit dem die Hemmungen der Auftraggeberin, die in der Praxis aufblühte und glänzte, überwunden, der Weg vom Wissen zur Dokumentation geschafften wurde.

Sie „diktierte“, ich formulierte beim Abtippen. Dann saßen wir zusammen und diskutierten. Denn meine Aufgabe war nicht (allein) das Abschreiben, es war nicht (allein) das verständliche Formulieren. Es war darüber hinaus vor allem eine Art Coaching: Was ist mit einer Aussage exakt gemeint? Lässt sie sich anschaulicher darstellen? Ließe sich nicht auch das Gegenteil annehmen und behaupten? Lässt sich eine abstrakte Formulierung anhand von Beispielen illustrieren? Handelt es sich um eine Sondersituation oder wirklich um ein breit anzutreffendes Phänomen?


Vom Erzählten zur Struktur


Die Auftraggeberin hatte unendlich viel Wissen. Sie wusste aus sehr vielen Selbstverteidigungskursen mit Mädchen und Frauen, wie ihre Schülerinnen im täglichen Leben, in Beruf und zuhause, „spontan“, „natürlich“ reagierten. Und wie es vielleicht besser und zielführender geht. Diese vielen Beispiele, Episoden und Erlebnisse lebendig und anschaulich zu formulieren, war überhaupt kein Problem und machte Spaß.

Nach einiger Zeit stellte ich allerdings fest: Was sich bei der Autorin an Wissen, Weisheit und Erkenntnissen in der Praxis aufgebaut hatte, kam (verständlicherweise) ziemlich unstrukturiert ins Diktaphon. Daher machte ich mich beim Ghostwriting nun daran, eine Struktur in die Masse an Informationen zu bringen. Ein System, mit dem sich abstrakte Thesen, fachliche Hintergrundinformation, Praxisbeispiele und praktische Übungsanleitungen einander zuzuordnen ließen.

Von da an hieß es, Inhalte einzufordern. Ich lauschte nicht mehr nur gebannt, tippte in den PC, was ich hörte, und formulierte dabei spannend um. Nein, von nun an forderte ich Inhalte ein: Beispiele zur Veranschaulichung theoretischer Aussagen, eine professionelle Einordnung von beispielhaften Erlebnissen, die durchgängige Erarbeitung von Checklisten und kleinen Übungen.

Ghostwriting ist keine einfache Aufgabe. Es ist weitaus mehr als das Ab- oder Aufschreiben der Gedanken eines Auftraggebers. Auch mehr als ein bloßes zielgruppengerechtes Formulieren der vermittelten Inhalte. Ghostwriter diskutieren mit ihren Auftraggebern und klären die Leitgedanken einer geplanten Publikation. Sie mobilisieren Inhalte, sie fragen nach und sorgen dafür, dass einzelne Gedanken angemessen vertieft werden. Sie sorgen dafür, dass der rote Faden eingehalten und ausreichend ausgearbeitet wird. Gleichzeitig vermeiden sie in die Irre führende Abwege.


Illustrieren in Text und Bild

Auch über die Illustration des Geschriebenen habe ich mit der Auftraggeberin diskutiert. Im Laufe der Arbeit hat ein guter Ghostwriter natürlich Ideen, wie sich das Erarbeitete anschaulich und pointiert illustrieren und bebildern lässt. In diesem Fall waren die erste Wahl Schwarzweiß-Fotos von Situationen, die im Buch zum Thema Selbstverteidigung vorkamen. Die Schwarzweiß-Fotos wirkten quasi wie Scherenschnitte: konkret, lebendig und zugleich abstrakt genug, um keine Angst zu machen.

Das Manuskript wurde erfolgreich abgeschlossen und vom Lektorat des Verlags angenommen. Es wurde als Taschenbuch in sehr schöner Form gedruckt und in großer Auflage verkauft. Ein sehr schönes Erfolgserlebnis!

Nur einen Wermutstropfen gab es für mich als Ghostwriterin, die ich mich so sehr geplagt hatte, die Gedanken der Auftraggeberin, ihre umfangreichen Praxiserfahrungen und ihr Expertenwissen in eine gut lesbare, möglichst anschauliche und vor allem auch strukturierte Form zu bringen: Meine Rolle wurde in einer der letzten der Danksagungen als recht untergeordnete dargestellt. Und ich musste erkennen, wie unterschiedlich der jeweilige Beitrag zum Entstehen des Buchs eingeschätzt wurde.


Rollengewichtung im Ghostwriting

Würde ich wieder einen Ghostwriting-Auftrag annehmen? Ja, aber mit konkreter Klärung vorab. Dabei liegt mir weniger das Honorar am Herzen. Kaum ein Auftraggeber wird hier einen angemessenen Stundensatz zahlen, daher sollte den oder die Ghostwriter(in) das eigentliche Thema wirklich interessieren. Ich würde vorab die Formulierung klären, mit der meine Rolle am Entstehen des Buches zum Ausdruck gebracht wird. Der Auftraggeber ist uneingeschränkt der Fachmann. Ein professioneller Ghostwriter leistet aber eben mehr, als dessen Expertise wiederzugeben: Wenn jemand auf einen Ghostwriter setzt, leitet dieser einen gewichtigen Beitrag dazu, dass die Expertise des Auftraggebers in einer verständlichen, strukturierten, anschaulichen Art und Weise die Leser erreicht. Viele Aspekte des Themas wird der Auftraggeber auch erst während des Produktionsprozesses durchdenken und für sich klären, wird sich zu vielen Punkten selber erst auf Nachfrage hin Klarheit verschaffen.

Inzwischen habe ich eine zweite Anfrage der Auftraggeberin angenommen. Dieses Mal möchte sie nicht, dass ich ihre Gedanken aufs Papier bringe. Sie möchte ein Buch gemeinsam mit mir produzieren und auf den Weg bringen, für das sie und ich als Autorinnen fungieren und das wir später auch gemeinsam auf einer Leserreise vorstellen. Wir haben schon wunderbare Ideen dazu. Es wird (natürlich) ihr Thema sein. Aber ich werde mehr gewesen sein als die Schreiberin. Ich bin diejenige, die die Struktur vorgibt, Inhalte einfordert, Informationen ergänzend recherchiert und die aus Wissen Lektüre macht.

Über die Autorin: Dr. Beatrix Körner

Über die Autorin: Dr. Beatrix Körner

Inhaberin dbk - Die bemerkenswerte Kommunikation

Beatrix Körner hat Politikwissenschaften, Philologie und Geschichte in Erlangen und München studiert und ist ausgebildete Projektmanagerin (IHK). Sie war als Ressortleiterin, Marketingleiterin und Leiterin der Unternehmenskommunikation für zahlreiche, auch börsennotierte Unternehmen tätig und widmet sich heute ganz der Kundenbetreuung in ihrer eigenen Kommunikationsagentur.

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